Covid-19 begleitet uns auch durch den Bergsommer 2021. Ob wir wollen oder nicht. Zwar gibt es erfreuliche Tendenzen der Entspannung. Die Durchimpfungsrate steigt. Die Intensivstationen sind nicht mehr übervoll mit dramatischen Fällen. Und doch, von völliger Entwarnung kann keine Rede sein.

Peter Paal – Primar für Anästhesie und Intensivmedizin in Salzburg, Notarzt, Bergrettungsarzt, Alpinsportler und Präsident des Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS) – analysiert im Gespräch mit Sport Aktiv den Status Quo.
Er liefert Tipps und Empfehlungen, um gut durch den zweiten virusgeprägten Bergsommer zu kommen. Und er gibt Hintergrundwissen weiter, damit wir das Covid-19 auslösende Virus, das „SARS-CoV-2“ heißt, bestmöglich verstehen.

 

Ist mit Ende der dritten Covid-19 Welle für den Bergsport dauerhaft Entwarnung zu geben?

Leider können wir trotz des Abflachens der dritten Welle in Österreich keine Entwarnung geben. Die Vorsichtsmaßnahmen ganz zu verwerfen, halte ich zumindest bis Frühjahr 2022 für völlig unrealistisch. Das betrifft uns alle – auch Geimpfte und Genesene. Es sind die Mutationen, die trotz Immunisierung nicht zu unterschätzen sind. Mit jedem einzelnen Covid-19 Krankheitsfall auf der Welt, steigt das Risiko, dass weitere gefährlichere – beispielsweise ansteckendere oder tödlichere – Mutationen entstehen. Denn in jedem Infizierten bildet sich das Virus täglich milliardenfach. Entsprechend ist das Risiko, dass gefährliche Varianten entstehen, bei denen etwa Impfungen weniger wirksam sind, allgegenwärtig. Unser aller Ziel muss sein, möglichst wenige oder noch besser keine Infizierten zu haben. Sonst können weitere größere Covid-19 Wellen wohl kaum verhindert werden.

 

Peter Paal, Präsident des Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS)

 

Was heißt das für die nächsten Jahre?

International ist die Pandemie noch länger nicht überstanden. So lange die Menge der täglichen Neuerkrankungen auf der Welt extrem hoch ist – laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit fast 1 Million Neuinfektionen und 15.000 Tote pro Tag – sind wir vom Pandemie-Ende weit entfernt. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass sich Menschen ähnlich wie mit Grippeviren, auch regelmäßig mit SARS-CoV-2 anstecken werden.

 

Was ist so tückisch an dem Virus?

SARS-CoV-2 ist problematisch, weil Erkrankte in den ersten Tagen der Infektion hochansteckend, aber noch völlig symptomfrei sind. Bei der Grippe ist man im Gegensatz dazu erst am Ende der Erkrankung sehr ansteckend. Daher ist es ein großes Glück, dass SARS-CoV-2, verglichen mit Grippeviren, langsamer mutiert.

 

Was wird in den nächsten Monaten möglich sein? Was nicht?

Wir können national und wohl auch innerhalb der EU reisen und in die Berge gehen. Wenn auch unter Beibehaltung der Covid-19 Schutzmaßnahmen. Schon im Vorjahr hat der Alpinsport bei Einheimischen extrem geboomt. Für heuer erwarten wir weitere Steigerungen und noch mehr Menschen, die in die Berge wollen, auch weil ausländische Gäste wieder vermehrt nach Österreich reisen dürfen.

Noch nicht ganz klar ist, wie Bergsport-Kurse etwa der alpinen Vereine, durchführbar sein werden. Nicht anzuraten ist es derzeit, Alpinismus-Fernreisen etwa in den Himalaya, nach Afrika (Kilimandscharo u.ä.) oder nach Südamerika zu unternehmen, weil in diesen Regionen Covid-19 noch länger problematisch bleiben dürfte.

 

Gibt es für den Bergsport aktuelle Erkenntnisse, die zusätzlich zu den bekannten Verhaltensweisen wichtig sind?

Wir wissen heute, dass FFP-2 Masken ein äußerst wirksamer Schutz vor SARS-CoV-2 sind. Das Ansteckungsrisiko ist minimal, so lange die Maske über die Atemorgane Nase und Mund getragen wird. Gefährlich ist es immer dann, wenn die Maske bei geringem Abstand zu Anderen – etwa in Hütten – abgenommen oder nicht korrekt getragen wird. Denn virushaltige Aerosole (kleine Wassertröpfchen), die sich in der Luft befinden, sind die mit Abstand häufigste Übertragungsform.

Gleichzeitig reduzieren Masken die Atemleistung und damit die Leistungsfähigkeit. Deshalb ist es beim Bergsport viel besser, sich mit ausreichend Abstand zu schützen, also zumindest zwei Meter Abstand zu nicht im gleichen Haushalt lebenden Personen zu halten, um auf die Maske verzichten zu können. Wie im Bergrettungsbereich mit Masken umzugehen ist, ist Teil neuer Empfehlungen der Internationalen Kommission für Alpine Rettung (IKAR).

 

Peter Paal, Präsident des Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS)

 

Welche Verhaltensweisen sind am Berg wegen Covid-19 zu vermeiden? Was ist speziell zu bedenken?

Das Trinken aus gemeinsamen Gläsern oder Flaschen ist – ausgenommen bei Personen die im gleichen Haushalt leben – ein absolutes No-Go. Auch das Anstoßen mit bereits benützten Gläsern ist nicht ratsam. Unbedingt zu vermeiden ist geselliges, gemeinsames Essen aus einer großen Pfanne oder Schüssel. Auch das Tauschen bzw. Verleihen gebrauchter Kleidung sollte unbedingt vermieden werden. Leider muss auch weiterhin auf Handshakes, Umarmungen oder das Busserl nach dem Gipfelsieg verzichtet werden. Und wenn man mit Gegenständen, Stahlseil-Versicherungen oder Klettersteig-Sicherungselementen in Kontakt kommt, die auch andere berühren, sollte man, bevor man sein Gesicht berührt oder etwas isst bzw. trinkt, die Hände gründlich desinfizieren oder mit Seife ebenso gründlich waschen.

 

Besteht wegen der vielfältigen Covid-19 Sicherheitsmaßnahmen die Gefahr, andere alpine Risiken zu übersehen?

Trotz Covid-19 sind alle anderen Gefahren der alpinen Natur nicht geringer zu schätzen. Bisherige Maßnahmen, um am Berg sicher unterwegs zu sein, haben nichts an Bedeutung verloren. Ganz im Gegenteil. Denn kommen mehr Menschen, unter ihnen auch mehr alpinistisch Unerfahrene, in die Berge, so wirkt sich das negativ auf die Unfallgefahr aus. Im Sommer 2020 gab es 40 Prozent mehr Unfälle als im langjährigen Durchschnitt. Wer eine neue Alpinsportart ausüben möchte, dem raten wir, einen entsprechenden Kurs bei einem der alpinen Vereine oder einem Experten zu besuchen. Das gilt etwa fürs Klettersteiggehen, Klettern oder Mountainbiken.

 

Wie sehen Sie die über den Sommer hinausreichende Zukunft?

So lange die WHO die am 11.3.2020 ausgerufene Covid-19 Pandemie nicht offiziell für beendet erklärt, bleibt das Restrisiko beträchtlich. Voraussichtlich dürfte uns Covid-19 als chronische Infektionskrankheit erhalten bleiben, mit der wir zu leben lernen müssen. Experten haben mindestens 20 weitere Erreger ausgemacht, die ein SARS-CoV-2 ähnliches oder noch größeres Pandemie-Potential haben. Details dazu erläutert Prof. Frank M. Snowden sehr informativ in seinem Buch „Epidemics and Society“.

Covid-19 im Bergsommer 2021

Zentrale Empfehlungen von Peter Paal

  • Die 3-G-Regel (Geimpft? Genesen? Oder Getestet?) ist unbedingt zu beachten.
  • Sich impfen zu lassen und dabei zu bedenken, dass optimaler Impfschutz erst Wochen nach abgeschlossener Impfung gegeben ist, ist zentral von Bedeutung.
  • Trotz Impfung ist weiterhin Vorsicht geboten. Denn bei 5 bis 6 Prozent aller Geimpften sind Reinfektionen möglich: Diese verlaufen zwar in der Regel für Geimpfte harmlos, aber das Anstecken Anderer ist in einem solchen Fall weiterhin möglich.
  • Regelmäßiges Testen – auch wenn man geimpft ist – bleibt weiterhin wichtig.
  • Abstand halten (2 Meter), im Zweifelsfall nach dem Motto „Der Klügere hält Abstand“.
  • Immer wenn es enger (weniger als 2 Meter) ist, soll eine FFP2-Maske getragen werden, und zwar richtig – also vollständig über Mund und Nase.
  • Ausspucken & Schnäuzen, nur wenn kein Fremder in der Nähe (2 Meter Abstand) ist.
  • Husten & Niesen – mit Bedacht und immer in die Armbeuge, auch mit Maske.
  • Umarmungen am Gipfel, Handshakes u.ä. sind mit Menschen, die nicht im gleichen Haushalt leben, zu vermeiden.
  • Kein Kontakt mit Gegenständen von Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben, beispielsweise Handys und Fotoapparate, oder Trinken aus nicht eigenen Flaschen, Bechern, Gläsern, Schnapsstamperln sowie das gemeinsame Verwenden von Besteck oder Tellern.
  • Lässt sich Kontakt mit Dingen, die von anderen Personen berührt wurden, nicht vermeiden, dann sind die Finger oder besser die ganze Hand nicht mehr ans Gesicht zu führen und möglichst bald zu desinfizieren oder mit Seifenwasser gründlich zu waschen.
  • FFP2-Masken bei Nicht-Verwendung sinnvoll verwahren: gefalten einstecken oder noch besser in einem Plastiksackerl (etwa frischer Gefrierbeutel) einpacken.
  • Desinfektionsmittel sollte immer dabei sein. Bei Anwendung beide Hände komplett damit einreiben. Die maximale Wirkung ist erreicht, wenn das Mittel eingetrocknet ist.
  • Händewaschen mit Seife. Seifenwasser zumindest 30 Sekunden in die Hände einreiben. Erst dann gründlich spülen. Die Einseifdauer ist nötig, um die Hülle des Virus zu durchbrechen und es so unschädlich zu machen.
  • In Hütten auf Abstand, Hygiene und richtiges Verhalten bei Husten & Niesen achten.
  • Beim Übernachten in Schutzhütten und allen anderen Quartieren die dort definierten Verhaltens- und Abstands-Vorgaben einhalten. Einzel- oder Zweibettzimmer wählen bzw. Zimmer nur mit Personen aus dem eigenen Haushalt teilen. Falls man Quartiere mit Haushalts-Fremden teilen muss, sollte auf eine gute Durchlüftung geachtet werden.
  • Beim Benützen von Seilbahnen sind FFP2-Masken zu tragen und Vorgaben der Bergbahnen einzuhalten.
  • Bei Autofahrten sind, wenn man gemeinsam mit Personen im Auto ist, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, FFP2-Masken zu tragen und auf eine gute Durchlüftung zu achten.

Peter Paal, Präsident des Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS)

ZUR PERSON Peter Paal (47)

  • Präsident des Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS)
  • Geboren in Bruneck, Südtirol
  • Medizinstudium in Innsbruck & Padua
  • Primarius für Anästhesie und Intensivmedizin am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Salzburg
  • Notarzt & Bergrettungsarzt
  • wissenschaftlicher Leiter der International Commission for Mountain Emergency Medicine (ICAR MedCom)
  • Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin
  • Forschungsschwerpunkte u.a.: Alpine Notfallmedizin, Lawine, Unterkühlung, Extreme Bedingungen, Public Health

KONTAKT: Peter Paal | Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit
peter.paal@alpinesicherheit.at | www.alpinesicherheit.at