„Beim Queren von Altschneefeldern wird oft unterschätzt, dass ein einfacher Ausrutscher ausreicht, um sich nicht mehr halten zu können. Weil Schneefelder meist in Geröll oder Fels auslaufen, haben Abstürze oft fatale Folgen“, betont der oberösterreichische Bergführer, Bergretter und Hagan-Produktentwickler Stefan Zoister. Dabei wäre es, so Zoister, mit der entsprechenden Ausrüstung und grundlegendem Wissen, die Ausrüstung einzusetzen, relativ einfach, die Gefahr sicher zu entschärfen. „Weil man für Skitouren im Frühjahr meist mit dem Auto hinauf in höhere Lagen fährt und die Zufahrtstraßen oft sehr vereist sind, muss“, so Sepp Egarter, Chef der Villacher Alpinschule 4 Jahreszeiten, „bei der Tourenplanung auch die Anfahrt speziell mitbedacht werden“. Für den Villacher kommt bei der Planung im Frühjahr dem Einbeziehen des Wetters der vergangenen Tage ganz besondere Bedeutung zu. „Die Tourenplanung ist jetzt, was die spezifischen Schneeverhältnisse anbelangt, oft sensibler und problematischer als im Hochwinter“, weiß der Bergführer. „Wie sieht es bezüglich Eis und Schnee im Gipfelbereich und in den Schattenhängen aus“, ist für Stefan Zoister eine weitere zentrale Frage während der Planung. Dass es im Frühjahr oft extrem unterschiedliche Verhältnisse zwischen süd- und nordausgerichteten Hängen gibt, ist ein weiterer Punkt, auf den alle Experten hinweisen. Apere Stellen oder weicher Schnee können binnen weniger Meter mit hartgefrorenen und dadurch sehr herausfordernden Passagen wechseln. „Oft sind kleinere, vereinzelte Schneefelder mit dazwischenliegenden aperen Wegstrecken Unfallauslöser“, warnt Egarter.

 

Ausrüstung vorbereiten

Neben der Tourenplanung gehören das Üben der Verwendung und Voreinstellung der Steigeisen, angepasst an die eigenen Schuhe, zur fixen Vorbereitung. Weiters soll das richtige Verhalten für den Fall das Ausrutschens verinnerlicht werden. „Ich rate mit Steigeisen gehen zu üben, etwa im Schnee oder auch auf aperen, weichen Untergründen und dabei die Allzack-Technik, bei der alle Zacken Schneekontakt haben, anzuwenden“, betont Bergprofi Zoister. „Im Falle eines Sturzes ist es wichtig, schnell in Bauchlage zu kommen, um das Abrutschen mit dem Pickel stoppen zu können, bevor die Geschwindigkeit zu groß wird“, wissen die Experten des Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS). Auch die Scharfkantigkeit des Schnees gilt es zu bedenken. Handschuhe sind zumindest bei Schneefeldquerungen Pflicht. „Kurze Hosen etwa führen bei Abstürzen am Schnee zu schmerzhaften zusätzlichen Verletzungen“, empfiehlt Bergretter Zoister robuste, langarmige/-beinige Kleidung. „Wir empfehlen, immer dann einen Helm zu tragen, wenn es ein Absturzrisiko besteht“, plädiert Egarter für Helmverwendung nicht nur des Steinschlagrisikos wegen.

Risiko durch Vereisung & Lawinen

Vereiste Tourpassagen können auch bei gemütlichen Wanderungen zu Stürzen mit vielfältigen Verletzungsmustern führen. Hier sind einfach über jede Art von Schuhen überziehbare Spikes bzw. Grödel das Mittel der Wahl. Spikes als Ersatz für Steigeisen zu verstehen, kann gefährlich werden. „Immer wenn es steiler wird – über 30 bis 35 Grad Gefälle – empfehlen wir der Absturzgefahr wegen, leichte Steigeisen, die viel mehr Halt als Spikes bieten“, betont der Villacher Bergprofi, für den dann auch der Einsatz eines Pickels wichtig ist. „Vereisung und in der Folge Feuchtigkeit, meist verursacht durch Schmelzwasser, spielt“, so Stefan Zoister, „auch bei Kletter- und Klettersteigtouren im Frühjahr eine Rolle“. Dadurch erhöhe sich die Schwierigkeit der Kletterpassagen teils enorm. „Bei Klettersteigtouren sind vom Schnee verdeckte Abschnitte, wo das Stahlseil unterm Schnee verschwindet, nur mit zusätzlicher Seilsicherung zu passieren“, mahnt Egarter zu großer Vorsicht. „Im Frühjahr wirkt sich die stärkere Tageserwärmung sehr auf die Lawinensituation aus. Ab Mittag nimmt die Gefahr stark zu. Ebenfalls gefährlich ist auf eisig-harschigen Untergrund gefallener Neuschnee. Durch die Tageserwärmung wird der frische Schnee schnell schwerer, ohne gut mit dem Untergrund verbunden zu sein. Dadurch steigt das Lawinenrisiko deutlich“, erläutert Zoister.

 

Unterspülung als Falle

„Die Unterspülung von Schneefeldern durch Schmelzwasser ist sehr gefährlich“, erklärt Bergretter Zoister. „Das unter dem Schnee abfließende Schmelzwasser schafft nicht sichtbare Hohlräume“, betont Sepp Egarter. Auch vom Schnee verdeckte Bäche und Übergänge zwischen Schnee bzw. Eis und Fels bergen beträchtliche Risiken in sich. „Bricht man durch die dünner gewordene Schneedecke, ist die Gefahr groß, vom Sog des Wassers unter die Schneedecke gezogen zu werden“, warnt Zoister.

 

Speziell im Frühjahr

Am Übergang zwischen Winter und Sommer sind bezüglich Wärme, Kraft der Sonne und Länge der Tage speziell zu bedenken, dass man, so Egarter, beispielsweise „deutlich mehr zu trinken braucht als im Winter“. „Die Sonne ist viel kräftiger, auch der Reflexion durch den Schnee wegen. Deshalb sollte man Sonnenschutzcreme, falls Nachschmieren nötig ist, und eine Ski-/Sonnenbrille immer zur Hand haben. Wegen der teils enormen Temperaturunterschiede sind Wechselwäsche und das Mitnehmen wärmender Kleidung sehr wichtig“, baut der Villacher Bergführer auf jahrzehntelange Erfahrung. Und bezogen auf den Abstieg weist er auf eine weitere Gefahrenquelle hin: „Schneefelder, die beim Abstieg begangen bzw. talwärts gerutscht werden, können schnell zur Gefahr werden, wenn man den Zustand der Schneedecke – schon weich oder doch noch vereist – falsch einschätzt. Denn auch dann kann man unkontrollierte Beschleunigung kaum mehr stoppen.“

ZENTRALES

Stürzen, Stolpern und Ausrutschen, etwa auf Altschneefeldern, zählen zu den häufigsten Unfallursachen beim Bergsport, so das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS).

Bei einem Sturz auf einem 35 bis 40 Grad steilen Schneefeld, erreicht man, laut ÖKAS, schon nach wenigen Metern eine ähnlich hohe Geschwindigkeit wie bei einem freien Fall.

Ausrutschen auf Schneefeldern ist Jahr für Jahr für viele Unfälle und zahlreiche Todesfälle verantwortlich. Das liegt, so das ÖKAS, auch daran, weil die Gefahr selbst von erfahrenen Bergsportlern unterschätzt wird.

 

AUSRÜSTUNGS-BASICS

Leichte Wanderungen mit vereisten Passagen
  • Spikes/Grödel, etwa „Snowline Chainsen“
  • Trekkingstöcke

 

Bergtouren mit Schneefeldquerungen und/oder vereisten Passagen sowie Skitouren
  • Steigeisen
  • Pickel
  • Helm
  • Bergstöcke
  • Harscheisen (Skitouren)

DIE EXPERTEN

Sepp Egarter

Berg- & Skiführer, Alpinschule Vierjahreszeiten, Villach
www.bergbewegt.at

 

Stefan Zoister

Berg- & Skiführer, Bergretter und Produktentwickler bei Hagan, Nußdorf am Attersee  s.zoister@aon.at