Covid-19 – Ihre Analyse der Monate März bis September 2020?

Leider wurden die zentralen Covid-19-gerechten Verhaltensweisen am Berg oft nicht eingehalten. Das lag an der Menge der Menschen, die es in die Berge zog. Vielfach stellten wir aber auch große Unbekümmertheit fest. Und teilweise fehlte einfach der Wille, etwa wenn auf hochgelegenen Schutzhütten Maskenträger die absolute Ausnahme waren.

Gleichzeitig war auch sehr oft Covid-19 entsprechendes, richtiges Verhalten zu beobachten. Vielfach haben sich die Menschen selbst reguliert, etwa beim Abstandhalten oder bei der Seilbahnbenützung. Im Bergbahnenbereich wurden, trotz der erfreulich vielen Gäste, die Schutzmaßnahmen weitestgehend eingehalten.

 

EXKURS – Peter Paal zu Auswirkungen der Pandemie auf den Bergsommer 2020 insgesamt

 

Was erscheint Ihnen im Zusammenhang mit Covid-19 am wichtigsten?

Covid-19 ist zirka dreimal so ansteckend wie die klassische Grippe. Dazu kommt, dass man bereits bis zu 48 Stunden bevor man Symptome zeigt, ansteckend ist. Im Vergleich dazu ist die Grippe erst gegen Ende der Krankheit besonders ansteckend. Unerfreulich ist überdies, dass, laut aktuellen Daten, bei einem Teil der Menschen, die Covid-19 überstanden haben, Lungenschäden nachweisbar bleiben. Sie äußern sich zum Beispiel in Kurzatmigkeit, Abgeschlagenheit und leichter Ermüdbarkeit.

Insgesamt müssen wir davon ausgehen, dass uns Covid-19 noch länger erhalten bleibt. Und dass es niemanden verschont. Deshalb gelten die Hygienerichtlinien für jeden von uns. Und jeder ist gefordert, die Verhaltens-Basics zu beachten. Aus aktuellen Studien wissen wir, dass angepasstes Verhalten zu einer deutlichen Reduktion des Infektionsrisikos führt.

Was sind die Basics, die jeder Outdoor- & Bergsportler konsequent einhalten sollte?

Alles Tun soll von der Grundeinstellung – ich schütze mich selbst und ich schütze mit meinem Verhalten auch die Anderen – getragen sein.

Zentrale Covid-19 Verhaltens-Empfehlungen sind:

  • Abstand halten. Im Zweifelsfall nach dem Motto agieren „Der Klügere hält Abstand“.
  • Nur dann Ausspucken oder Schnäuzen, wenn kein Fremder in der Nähe (zumindest 2 Meter Abstand) ist.
  • Husten und Niesen möglichst mit Bedacht und immer nur in die Armbeuge, selbst wenn man gerade Maske trägt.
  • Immer wenn es enger (weniger als 1 bis 2 Meter) wird, Schutzmaske über Mund und Nase tragen.
  • Umarmungen am Gipfel, Handshakes u.ä. sind mit Menschen, die nicht im gleichen Haushalt leben, grundsätzlich zu vermeiden.
  • Kein Kontakt mit Gegenständen von Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben, beispielsweise Handys oder Fotoapparate (etwa für Gipfelfotos), oder Trinken aus nicht eigenen Flaschen, Bechern, Schnapsstamperln u.v.m. Lässt sich der Kontakt mit Dingen, die von anderen Personen berührt wurden, nicht vermeiden, dann sollten die Finger oder die ganze Hand nicht mehr ans Gesicht geführt und möglichst bald desinfiziert werden. Das gilt grundsätzlich überall, aber insbesondere in hoch frequentierten Berghütten und Kletterhallen.
  • Schutzmasken bei Nicht-Verwendung sinnvoll verwahren: gefalten einstecken oder noch besser in einem Plastiksackerl (etwa frischer Gefrierbeutel) einpacken.
  • Desinfektionsmittel sollte man immer mit dabei haben. Bei der Anwendung sollten beide Hände komplett damit eingerieben werden, bis das Mittel eingetrocknet ist. Dadurch wird der höchste Wirkungsgrad erreicht.
  • Händewaschen mit Seife. Das Seifenwasser zumindest 30 Sekunden in die Hände einreiben, erst dann gründlich spülen. Die Einseifdauer ist nötig, um die Hülle des Virus zu durchbrechen und es so unschädlich zu machen.
  • Bei der Hütteneinkehr auf Abstand, Hygiene und richtiges Verhalten bei Husten und Niesen achten.
  • Beim Übernachten in Schutzhütten und allen anderen Quartieren die dort definierten Verhaltens- und Abstands-Vorgaben einhalten. Einzel- oder Zweibettzimmer bzw. Zimmer nur mit Personen aus dem eigenen Haushalt zu teilen, ist ganz zentral. Falls man Quartiere mit Haushalt-Fremden teilen muss, sollte auf eine gute Durchlüftung geachtet werden.
  • Beim Benützen der Seilbahnen und im Winter beim Skifahren sind die Vorgaben der Bergbahnen einzuhalten.
  • Bei Autofahrten sind – immer, wenn man mit Personen unterwegs ist, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben – unbedingt Masken zu tragen und auf eine gute Durchlüftung des Autos zu achten.

 

Wie groß sind die Risiken, sich mit Covid-19 beim Outdoor- & Bergsport anzustecken?

Grundsätzlich ist es wichtig zu wissen, dass das SARS-CoV-2 Virus 4 bis 5 Tage an Kunststoff-Oberflächen haftet. UV-Strahlung führt zu einer rascheren Deaktivierung. Auch deshalb ist draußen das Infektionsrisiko deutlich geringer als indoor. Zudem ist draußen auch dank des Luftzugs und der größeren Abstände zwischen den Menschen die Infektionsgefahr geringer.

Berücksichtigt man obige Basics, dann minimiert man das Risiko und kann unbeschwert seine Outdoor- und Bergsportaktivitäten genießen.

Indoor hingegen – in warmer genauso wie in kühler Umgebung – steigt das Risiko. Zentrale Gründe sind geringere Abstände und weniger Durchlüftung. Deshalb ist indoor das Maske-Tragen so wichtig.

Sie als international vernetzter Experte haben sicher bezogen auf Covid-19 Erkenntnisse, die uns als medizinischen Laien neu sind?

Besonders bemerkenswert ist: Das Virus breitet sich in der Luft in kühler (nicht kalter!) Umgebung, bei geringer Durchlüftung, weiter aus, als wenn es wärmer ist. Studien zeigen, dass es in solch kühlen Bereichen in der Luft bis zu 8 Meter weit kommen kann. Das dürfte auch einer der Gründe gewesen sein, warum es in mehreren Schlachthöfen so hohe Fallzahlen gab.

 

Was empfehlen Sie Covid-19 bezogen für den Herbst 2020 und den Winter 2020/21?

Es ist die hohe Übertragungsmöglichkeit in kühler Luft, weswegen Covid-19 beim Outdoor- & Bergsport im Herbst und Winter keinesfalls unterschätzt werden darf. „Staus“ am Berg oder andere größere Menschenansammlungen sollte man möglichst vermeiden. In allen Bereichen, wo man den Abstand nicht halten kann, ist Maske-Tragen unumgänglich.

Wer die Verhaltensbasics – Maske, Abstand und Hygiene – beachtet, sollte sich, vorausgesetzt man fühlt sich gesund, nicht vom Aktivsein im Freien abhalten lassen. Und auch indoor, etwa in Kletterhallen, ist Abstand und gute Durchlüftung vorausgesetzt, das Risiko überschaubar.

Wichtig ist in jedem Fall zu bedenken, dass überall wo Menschen stark ein- und ausatmen, das Risiko steigt. Mehrere Meter Abstand sind dann einzuhalten. Und bei Luftzug sollte man in Bezug zu diesen Menschen an der Luv-Seite, also der dem Wind zugewandten Seite, stehen und Maske tragen.

Wie sieht Ihre Einschätzung der Zukunft „nach“ Covid-19 aus?

Vorweg – Covid-19 wird uns zumindest noch bis Frühling 2021 erhalten bleiben. Und generell werden uns Seuchen wie eben Covid-19 in Zukunft voraussichtlich häufiger treffen. Das dürfte auch daran liegen, dass immer mehr Refugien von kleinen, wenig beachteten Wildtieren zerstört werden. Dadurch kommen die Menschen mit deren Ausscheidungen in Staub- und Tröpfchenform viel öfter in Kontakt.

Weil es seit dem Zweiten Weltkrieg im Westen keine relevanten Seuchen-Ausbrüche gab, wurde von der Öffentlichkeit verdrängt, dass Seuchen seit jeher die Menschheit begleiten und ihr all zu oft auch gesundheitlich arg zugesetzt haben. Man bedenke, dass zum Beispiel noch heute in Entwicklungsländern die meisten Menschen an Infektionskrankheiten sterben, die bei uns seit dem Zweiten Weltkrieg durch technischen und medizinischen Fortschritt verschwunden sind.

 

EXKURS – Peter Paal zu Auswirkungen der Pandemie auf den Bergsommer 2020 insgesamt

Im Vergleich zu den Vorjahren war das Aufkommen von Bergsportlern bis inklusive Mai 2020 niedriger. Ab Juni gab es mehr Andrang am Berg als in den letzten Jahren. Eine der Folgen war ein überdurchschnittlicher Anstieg der Unfälle. Überdies waren Menschen, die sonst wohl eher im Meer- oder Stadturlaub gewesen wären, in den Bergen unterwegs, mit zum Teil wenig Verständnis für den richtigen Umgang am Berg, insbesondere bezogen auf das Unfallrisiko und die Verschmutzung der Natur. Bekannte und leicht zugängliche alpine Orte wurden regelrecht überrannt, belagert und verschmutzt, etwa die Zugspitze oder die Voralpenseen.

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Zur Person Peter Paal (46)
  • Präsident des Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS)
  • Geboren in Bruneck, Südtirol
  • Medizinstudium in Innsbruck & Padua
  • Primarius für Anästhesie und Intensivmedizin am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Salzburg
  • Notarzt & Bergrettungsarzt
  • Wissenschaftlicher Leiter der International Commission for Alpine Rescue (ICAR MedCom)
  • Forschungsschwerpunkte u.a.: Alpine Notfallmedizin, Lawine, Unterkühlung, Extreme Bedingungen, Public Health

Kontakt: Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit
Telefon: +43-512-365451 | E-Mail: office@alpinesicherheit.at
www.alpinesicherheit.at