„Man startet im Frühjahr nicht so wie man im Herbst die Saison beendet hat. Man kann bei den ersten Touren nicht davon ausgehen, die maximale Leistung zu bringen“, bricht Bergführer Christoph Puggl eine Lanze dafür, es am Klettersteig-Saisonbeginn systematisch und schrittweise anzugehen. „Bei Neueinsteigern raten wir dazu, sich im Rahmen eines Kurses mit allen Facetten des Klettersteiggehens inklusive der Ausrüstungshandhabung vertraut zu machen“, betont er. „Ein weiterer Vorteil eines Kurses mit Leihausrüstung liegt darin, dass man sich ohne vorweg die Ausrüstung kaufen zu müssen, anschauen kann, ob man zukünftig Klettersteigtouren machen möchte und mit welcher Ausrüstung man am besten zurecht kommt“, weiß Puggl. Anfangs mit einem erfahrenen Bergführer unterwegs zu sein, hat auch den Sinn, dass man im Steig Details erklärt bekommt bzw. sich bei schwierigen Stellen zeigen lassen kann, wie man am besten agiert. Und notfalls ist der Bergprofi in der Lage – wenn man nicht mehr weiter kann oder einen die Angst lähmt – durch zusätzliches Sichern oder Abseilen professionell zu helfen.

 

Abläufe auffrischen, Abstieg trainieren

„Zu Beginn der Saison ist es wichtig, sich alle Abläufe, das Timing beim Umhängen, das bewusste Steigen und Greifen u.v.m. erneut zu verinnerlichen und das alles auf leichteren Touren zu trainieren. Auch sehr wichtig – für Einsteiger genauso wie für langjährige Klettersteiggeher ist es, Erfahrung mit Klettersteig-Abstiegen zu sammeln. Es kann passieren, dass man zum Rückzug gezwungen ist und einen Klettersteig absteigen muss“, plädiert der Gailtaler Bergführer und Klettersteig-Experte Sepp Szöke für solide Steigerung der Herausforderung. „Wir am Nassfeld können vom Felsenlabyrinth über prächtige mittelschwere Klettersteige bis zum sehr schweren, viel Armkraft erfordernden Winkelturm Nordwand-Klettersteig Herausforderungen auf jedem Level bieten“, hat Szöke viel Erfahrung im geschickten Hinführen Klettersteig-Begeisterter, die auch sehr schwierige Touren sicher bewältigen wollen.

Mentale Fitness als Faktor

„Sich zu Saisonbeginn körperlich wie geistig fit für Klettersteige zu machen ist entscheidend. Gerade die mentale Herausforderung langer, ausgesetzter Touren ist nicht zu unterschätzen. Und je länger der Zustieg ist, desto wichtiger ist die generelle körperliche Fitness“, weiß Herbert Raffalt, Alpinfotograf der Extraklasse und Bergführer aus Haus im Ennstal. „Am Sattelberg in der Ramsau, am nahen Stoderzinken und in der Silberkarklamm gibt es eine große Auswahl verschiedener Klettersteig-Varianten, um wenn gewünscht auch mit professioneller Bergführer-Unterstützung, sein Können zu perfektionieren“, weiß Bergprofi Raffalt. „Überdies sollte man es machen wie die alten, erfahrenen Bergfexe. Sie haben Teilpassagen schwieriger Touren vorab besichtigt, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Deshalb empfehle ich in der Dachstein Südwand zuerst einmal den auch nicht gerade leichten Anna-Klettersteig zu gehen. Danach kann man weiter bis zum Einstieg des Johann-Klettersteigs, der durch die mächtige Südwand führt, aufsteigen, um zu sehen was einen dort oben erwartet. Wenn man in der Folge beim Abstieg vom Anna-Klettersteig die Zustiegsroute des Johann ab Südwandhütte erkundet, kann man sich bei einer späteren Tour via Johann-Klettersteig auf den Dachstein aufs Wesentliche konzentrieren“, plädiert Raffalt fürs systematische Herantasten an große alpinistische Herausforderungen.

DIE EXPERTEN

Herbert Raffalt

Christoph Puggl

Sepp Szöke

Herbert Raffalt: Fotokünstler mit Schwerpunkt Berg- & Naturfotografie. Alle Fotos dieses Artikels stammen von ihm. Staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Haus im Ennstal.
www.raffalt.com

Christoph Puggl: Sportwissenschaftler, staatlich geprüfter Berg- und Skiführer sowie Skilehrer, Salzburg. Puggl und das Freiluftleben-Team bieten zahlreiche Klettersteig-Einsteigerkurse an.
www.freiluftleben.at

Sepp Szöke: Staatlich geprüfter Berg- und Skiführer. Ansprechpartner für Klettersteig-Neueinsteiger am Nassfeld. Experte für Klettersteigtouren aus Hermagor im Gailtal.
sepp.szoeke@gmail.com

Klettersteig Steigerungs-Empfehlungen

 

Behutsam steigern – warum?

  • Passionierte Klettersteiggeher verpassen sich so zu Saisonbeginn den Feinschliff für die körperliche und mentale Fitness.
  • Einsteiger tasten sich auf Basis von Grundinformationen und verinnerlichter Ausrüstungsanwendung, begleitet von einem Bergführer bzw. im Rahmen eines Kurses langsam an die vielfältige Herausforderung eines Klettersteiges heran.

 

Fünf Klettersteig-Steigerungs-Schritte

Schritt I: Leicht, kurz, ohne große Höhen/Tiefblicke. Steigen, Greifen, Ein-/Aushängen, der Einsatz der Rastschlinge u.ä. werden „gelernt“ bzw. wieder automatisiert und perfektioniert.

Schritt II: Mittelschwer, etwas länger, einzelne schwierigere Stellen, teils „hoch“, ausgesetzt und mit Tiefblicken – auch um zu spüren, wie man damit umgeht und wie es gelingt bei empfundener leichter Überforderung professionell zu bleiben.

Schritt III: Von der Schwierigkeit ähnlich Schritt II. Aber Klettersteige, die länger und höher sind und mehr schwierige Passagen aufweisen. Auch im Abstieg warten Herausforderungen (Länge und schwierige Passagen).

Schritt IV: Noch etwas schwieriger als Schritt III, vor allem aber deutlich längere Wegstrecken (Zustieg, Klettersteig, Abstieg). Meist deutlich höher gelegen und oft gibt es auch Geh-bzw. leichte Kletterpassagen ohne Versicherung.

Schritt V: Wer nach dem vierten Schritt Lust auf noch schwierigere, ganzheitlich alpinistischere, längere und als Gesamttour (Zustieg, Zwischenpassagen, Abstieg) noch herausfordernde Projekte hat, lässt sich auch auf den fünften Schritt ein.

 

Von Mödling zur Rax

I: Mödlinger Klettersteig – in den Föhrenbergen am Westrand von Mödling

II: Pittentaler Klettersteig – am Türkensturz südlich von Wiener Neustadt

III: Gebirgsvereins Klettersteig – auf der Hohen Wand, nahe des ehemaligen Gasthauses „Seiser Toni“

IV: Hans von Haidsteig – Preinerwand, Rax

V: Königschusswand Klettersteig – Preinerwand, Rax. Der kürzere, aber schwerere Bruder des Haidsteigs. Armkraft & sehr gute Grundkondition sind Voraussetzung. Gut in Kombination – nach dem Haidsteig – machbar.

 

Rund um Villach

I & II: Kanzianiberg (nahe Faaker See) & Peterlewand (Bodensdorf, Ossiacher See) – zwei Klettersteigzentren, perfekt für Einsteiger und ideal für herausfordernde Trainingstouren. Ergänzend empfehlenswert: Rotschitza Klamm-Klettersteig beim Faaker See.

III: Mangart – Slowenischer Klettersteig. Nicht sehr schwer, aber große Höhe/Tiefblicke. Ausgangs-/Endpunkt Slowenische Mangart-Straße.

IV: Mangart – Italienischer Klettersteig. Schwerer, länger, gewaltige Tiefblicke, längerer Zu- und Abstieg, wenn man – wunderschön – als Ausgangs-/Endpunkt die Laghi di Fusine wählt.

V: Hanza Steig auf den Prisank (Prisojnik) – lange, schwere Tour mit Abstieg via Normalweg oder Fenster-Klettersteig zum Vršič-Pass

 

Am & ums Nassfeld

Tipps von Sepp Szöke

I: Felsenlabyrinth am Nassfeld & Norbert Schluga Klettersteig in Hermagor

II: Winkelturm Ostgrat-Klettersteig Torre Clampil, Ausgangspunkt Sonnenalpe Nassfeld, Abstieg über den leichten Enrico Contin Klettersteig.

III: Däumling Klettersteig – Tiefblicke & Seilbrücken, Ausgangspunkt Bergstation Gartnerkofelsesselbahn

IV: Trogkofel ab Rudnigalm. Aufstieg via Überlacher Klettersteig und Abstieg über den Crete Rosse Klettersteig. Alternativ Auf- und Abstieg via Crete Rosse Klettersteig.

V: Winkelturm Nordwand-Klettersteig Torre Clampil – lang, gewaltige Tiefblicke, durchgehend schwierig und kraftraubend. Ausgangspunkt Sonnenalpe Nassfeld. Abstieg via Winkelturm Ostgrat-Klettersteig möglich.

 

Salzburg & mehr

Tipps von Christoph Puggl

I & II: City Wall Klettersteige am Kapuzinerberg in Salzburg. Leichte ebenso wie fordernde Varianten. Wegen Vogelbrut von 1.3. bis 30.6. gesperrt. Alternativ – Zahme Gams Klettersteig nahe Weißenbach zwischen Lofer und Saalfelden.

III & IV: Drachenwand Klettersteig auf den Drachenstein – mittelschwer, sportlich lang, mit Mondsee-Prachtblick. Und darauf aufbauend – Grünstein Klettersteig, in Schönau am Königsee, Bayern – Varianten von mittelschwer bis schwierig.

V: Watzmann Überschreitung Klettersteig – fordernde, lange Tour (2.400 hm) mit mittelschweren Klettersteigpassagen. Ähnlich lang, aber bergsteigerisch und klettersteigmäßig deutlich fordernder ist der Königsjodler Klettersteig als Teil der Hochtour auf den Hochkönig.

 

Ennstal & Dachstein

Tipps von Herbert Raffalt

I & II: Klettersteige am Sattelberg, Ramsau am Dachstein. Leicht bis mittelschwer. Und Klettersteig-Park am Stoderzinken. Leicht bis mittelschwer sowie ein kurzer, aber sehr schwerer Steig.

III: Silberkarklamm, östlich von Ramsau, mit drei attraktiven mittelschweren Klettersteigen – Hias, Rosina und Siega – die in Kombination bewältigt, perfektes, abwechslungsreiches Training versprechen.

IV: Anna Klettersteig, schwer und lang, im unteren Bereich der Dachstein-Südwand mit forderndem Zu- und Abstieg.

V: Höhepunkt einer ambitionierten Klettersteigsaison – Johann Klettersteig (sehr schwer, sehr exponiert und sehr lang) durch die Dachstein-Südwand. Optional weiter via „Schulter“ (mittelschwer, kein Gletscher) auf den Dachstein-Gipfel.
Zur Abwechslung: Schwerer, nicht sehr langer, aber extrem imposanter Sky Walk Klettersteig via Dachstein-Seilbahnbergstation und Hunerscharte.

 

Details, Infos, Topos

Informationen, Tourenbeschreibungen und Topos zu nahezu allen genannten Touren: www.bergsteigen.com