Sie schaut verwundert, an diesem frühen Juli-Morgen. Die „Zwei-Länder-Kuh“ am Passo Pramollo, dem Nassfeldpass auf 1.530 m. Kopf in Österreich. Hinterteil in Italien. Exakt auf der Landesgrenze steht sie. Im Licht der Grenzstation. Es ist 3.58 Uhr. Wir lassen Kuh und Grenze rechts liegen und marschieren nach links, vorbei am Nassfeld-Kircherl, zur Watschiger Alm. Unser Plan: Sonnenaufgang am Gartnerkofel (2.195 m). Es geht vorbei am Bergsee neben der Alm. Ohne Stirnlampe wäre hier, wo die Wulfenia am Wegesrand wächst, kein Weiterkommen. Nun beginnt der Weg durch Wald-Ausläufer etwas steiler, schwieriger zu werden. Den aufragenden Gartnerkofel können wir der Dunkelheit wegen nur erahnen. Ein paar Kuhglocken sind zu hören. Keine Menschenseele weit und breit.

Üblicherweise geht es am Normalweg auf den Gartnerkofel. Eine einfache Wanderung. Wir bevorzugen die Route über den Westgrat. Bei Erreichen des Kühweger Törls (1.914 m) ist es hell genug, um von Stirnlampe auf Kletterhelm zu wechseln. Nach links führt der Weg auf den Kammleiten-Gipfel (1.998 m). Wir gehen nach rechts bergwärts. Durch Latschen, auf einem kaum markierten Steig. „Der Gartnerkofel Westgrat ist eine Klettertour im Schwierigkeitsgrad 2+. Es gibt keine Sicherung und kaum Markierungen. Dafür fantastische Aus- und Tiefblicke ins Gailtal samt Pressegger See“, beschreibt Bergführer Sepp Szöke die Tour.

Im Bild: Blick auf den Gartnerkofel Westgrat, links oben ganz klein das Gartnerkofel Gipfelkreuz | Foto: Oliver Pichler

Es wird schnell heller. Wir kommen gut voran, an diesem warmen, trockenen Morgen. Bald sehen wir ein erstes Mal auf den Gartnerkofel-Gipfel. Am Horizont erste rot-orange-gelbe Farbenspiele. Noch einige Kletterpassagen, dann werden wir es geschafft haben und können – so glauben wir – ganz alleine den Sonnenaufgang genießen. Genießen ja. Alleine nein. Knapp vor uns kommt eine 8-köpfige Gruppe, geleitet von Wanderführerin Hanni Gratzer, am Gipfel an. „Wir starten knapp zwei Stunden vor Sonnenaufgang. Das erste Erlebnis ist das aus der Dunkelheit in den Tag hinein Gehen. Dafür wählen wir einen einfachen Weg und schalten möglichst alles Licht aus. Nach einer Pause bei der Bergstation der Gartnerkofelbahn geht es in der Dämmerung am Normalweg weiter bergwärts“, erzählt Gratzer.

Um 5:24 Uhr beginnt die „heiße Phase“. Am Horizont, Anfang Juli sehr weit im Nord-Osten, wird die obere Rundung des Feuerballs erkennbar. Zehn-Wow-Minuten dauert es, bis die glühende Kugel uns in ihrer ganzen Pracht entgegenstrahlt. „Kaum ein Sonnenaufgang gleicht dem anderen. Faszinierend ist es jedes Mal“, schwärmt Hanni, deren Gäste hin und weg sind.

Knapp vor 6:00 Uhr steht die Sonne hoch am Himmel. Zeit für den Abstieg. Hanni hat mit ihrer Gruppe das gleiche Ziel wie wir: Frühstück auf der Watschiger Alm. „Die in der Almsennerei erzeugten Produkte sind einmalig. Und die Lust auf einen Kaffee wird mit jedem talwärts gehenden Schritt größer“, schwärmt die Wanderführerin. Gemeinsam geht es am Normalweg nach unten. Vorbei am Däumling, dem Klettersteig am Gartnerkofel. Der Panoramablick auf den mächtigen Rosskofel links und den aufragenden Trogkofel rechts – ist im Licht des frühen Morgens besonders schön. Alleine, vom Schauen wird man nicht satt. Wie gut, dass uns Teresa Weidhofer – sie bewirtschaftet mit ihrer Familie die Watschiger Alm – bereits erwartet. Ihr Alm-Frühstück entpuppt sich als Festmahl mit selbst Produziertem: Butter, Joghurt, Milch, Weich- und Hartkäse, mild-würzigem Gailtaler Speck, Hauswürstel, frischem Brot und starkem Alm-Kaffee aus Omas Espresso-Maschine mit frischer Milch. Die Watschiger Alm ist eine der 13 Gailtaler Almkäse-Almen. Der Verein Gailtaler Almkäse hält die Käsekultur des Tales hoch. Geleitet wird der Verein von Teresas Mann, dem Käseexperten Christof Wassertheurer.

Im Bild: Das Nassfeld – Blick vom Gartnerkofel auf Rosskofel und Trogkofel | Foto: NLW, Daniel Zupanc

Familien-Bergerlebnis

Dem Nassfeld gelingt der Spagat zwischen Wandern, Bergsteigen, Berggenuss, Familien-Bergerlebnis, authentischer Kulinarik und Quartieren für jede Brieftasche, überaus gut. Enorm vielfältig und attraktiv sind die Familien-Bergerlebnisse. Der Gartnerkofel, konkret das Gelände um die Bergstation der gleichnamigen Sesselbahn, ist eines der Family-Zentren. Der Spielplatz Almrausch u.a. mit Mini-Flying-Fox, Stelzenhaus zum Herumturnen begeistert die Kids. Eine lange Holz-Kugelbahn erweitert seit Sommer 2020 das Angebot. Um den Rundumblick besonders gut genießen zu können, entstanden eine Bergterrasse und eine Aussichtsplattform, die spektakulär hinaus über den Felsabhang ragt. „Von hier sieht man den Großglockner im Nordwesten genauso gut wie die Gipfel der Julischen Alpen von Montasio bis Mangart“, weiß Klaus Herzog von den Nassfeld Bergbahnen. „Schon die Fahrt mit der Sesselbahn über Almwiesen, auf denen Kühe weiden und die seltene, blauviolette Wulfenia-Pflanze wächst, den aufragenden Gartnerkofel vor Augen, vorbei an einem See und im oberen Bereich mit Blick auf sich sonnende Murmeltiere, begeistert unsere Gäste“, erzählt der Seilbahnmanager.

Im Bild: Das Nassfeld ist ein ideales Familien-Wandergebiet | Foto: NLW, Daniel Zupanc

Noch vielfältiger sind die Familien-Attraktionen auf der Madritsche: Der Aquatrail führt zum Rosskofel-See. Die Via Dolce Vita zieht sich entlang der österreichisch-italienischen Grenze. Die superlange Sommerrodelbahn Pendolino bringt uns zur Tressdorfer Alm. Und die Madritschen-Tour – ein Erlebnisweg auf den Spuren des Steinvolks der Madritschen – macht den Weg zur Sonnenalpe Nassfeld besonders abwechslungsreich. Bei der nahen Tressdorfer Alm warten das Felsenlabyrinth und der 3D-Bogensportpark. „Das Felsenlabyrinth ist ein moderner Outdoor-Park, der Besuchern den Einstieg ins Bergerlebnis inklusive Klettersteig, Flying Fox u.v.m. ermöglicht. Felsen, Bäume, Schluchten und Höhlen sorgen für besondere Atmosphäre“, erklärt Mr. Felsenlabyrinth Christian Sölle.

Im Bild: Der Rosskofelsee ist Teil des Aqua Trails mit Ausgangspunkt auf der Madritsche | Foto: NLW, Daniel Zupanc

Berg-Vielfalt

Wanderungen am Nassfeld können dank der Sommerbergbahnen – Millennium Express, Madritschen-Sesselbahn und Gartnerkofel-Sesselbahn – bequem gestartet werden. „Gemütliche Wege für Wanderungen von 30 Minuten bis zwei oder drei Stunden und das prächtige alpine Panorama zeichnen die Region aus“, weiß Wanderspezialistin Hanni Gratzer. Viele einfache Wanderungen beginnen bei der Bergstation der Gartnerkofel-Sesselbahn (1.880 m). Zahlreiche andere auf der Passhöhe und am Madritschen-Gipfel.

Neben seiner gemütlichen Seite hat das Nassfeld auch alpinistisch Herausforderndes zu bieten – für Klettersteig-Fans, ob Neueinsteiger oder Profi, aber auch für Bergsteiger, die Touren inklusive ungesicherter Kletterpassagen lieben. Auch klassische Alpinkletterer kommen auf ihre Rechnung. „Die Berge hier sind, wenn man weiß wo, ein Eldorado für Kletterer, wenig frequentiert, dafür mit gewaltig gutem Fels. Zahlreiche Routen sind nicht so schwer (ab 3tem Grad) und damit auch für weniger starke Kletterer machbar“, weiß Bergführer Szöke.

Eine beliebte Alternative zum Wandern und Bergsteigen ist Mountainbiken. Das Nassfeld bietet Bikern enorme Möglichkeiten: Einen über 4.000 Meter langen Flow Trail, acht Naturtrails – von einfach bis sehr anspruchsvoll – und mit dem Lift- & Bike-Giro eine 11,7 km lange Bike-Strecke von der Madritsche ins Tal.

Wer nach so viel Berg Lust auf Gegensätzliches verspürt, steuert den nahen Pressegger See an. Überdies besuchenswert sind Hermagor als Einkaufsstädtchen, die beeindruckende Garnitzenklamm oder der Erlebnisbauernhof Gailtal Bauer.

Im Bild: Auf den Almen am Nassfeld weiden Kühe, die die Milch für den köstlichen Gailtaler Almkäse liefern | Foto: NLW, Daniel Zupanc

Hotels am Berg & im Tal

Das Quartierangebot ist erfreulich groß. Ob man oben am Berg, etwa im herausragenden Hotel Gartnerkofel, oder am Fuß des Nassfelds in Tröpolach, beispielsweise im renommierten Falkensteiner Carinzia eincheckt, ist Geschmacksache. Flexibel das regionale Gesamtangebot nützen kann man in beiden Fällen, da Berg und Tal über die Nassfeld-Straße bequem erreichbar, aber auch per Seilbahn direkt verbunden sind. Weitere vielversprechende Domizile im Tal sind „Der kleine Bär“ von Haubenkoch Manuel Ressi, „Der Weber“ – Designer-Appartements der Architekten Ronacher, oder das Alpen Adria Hotel am Pressegger See.

INFO: Nassfeld im Sommer & Herbst

 

Allgemein

Das Nassfeld im Gailtal, in den Karnischen Alpen, im Südwesten Kärntens, ist eines der Tourismuszentren Kärntens. Die Passhöhe (1.530 m) an der Grenze zu Italien ist umrahmt von markanten Bergen aus schroff-aufragendem Kalkgestein. Das macht den Reiz der Region aus, unabhängig davon, ob man die Gipfel besteigt oder gemütlich mit Blick auf sie wandert.

Botanisches Highlight ist die Wulfenia, eine sehr seltene, blau-violett blühende Blume, die hier, im Himalaja und in Gebirgszügen am Balkan vorkommt.

Im Zusammenspiel zwischen Berg – oben am Nassfeld – und Tal – dem Gailtal – liegt der Reiz der Region. Der Pressegger See ist ein einladender, warmer Badesee. Die Kleinstadt Hermagor bietet sich für Shopping- & Schlechtwetterausflüge an.

Idealer Urlaubsbegleiter ist die „+CARD holiday“, vielfach Teil des Übernachtungsarrangements. Inklusive sind Benutzung der Sommerbergbahnen, regionale Busverbindungen, Baden am Presseger See, tägliches Aktiv-Programm u.v.m. Details: www.nassfeld.at

Die Lage an der Grenze zu Italien ermöglicht Spaziergänge und Wanderungen, aber auch kulinarische Zwischenstopps in beiden Ländern. Die italienische Passstraße nach Pontebba lädt zu PKW-Ausflügen nach Tarvisio (30 Autominuten), Udine (60 Min.) oder ans Meer nach Grado (120 Min.) ein.

 

Am Berg? Oder im Tal?

Als Gast hat man in der Region die Wahl. Quartier am Berg oder im Tal. Bergfexe und Mountainbike-Fans sind am Berg besser bedient. Die kühleren Temperaturen an heißen Sommertagen sind ein weiteres Berg-Argument. Wer die ganze Aktivitäten-Vielfalt – Berg, See, Golf, Mountainbiken, Radeln am Gailtalradweg u.v.m. – liebt, wohnt besser im Tal. Verbunden sind Berg und Tal durch die Passstraße und die Seilbahn (Kabinenbahn Millennium-Express) von Tröpolach aufs Nassfeld.

 

Reisezeit

Sommer-Hauptreisezeit ist von Anfang Juni bis Ende September. Der Herbst (bis zum ersten Schnee im Oktober bzw. November) ist für Bergerlebnisse gut geeignet. Jedoch haben dann nicht mehr alle Betriebe, Hütten und Seilbahnen geöffnet. Vor einem Spätherbst-Trip sollte man sich vergewissern, ob die Wunsch-Angebote zur Verfügung stehen.

 

Tourismusinfo

Info & Servicecenter Nassfeld – Pressegger See,
Wulfeniaplatz 1, 9620 Hermagor, T +43-4285-8241, www.nassfeld.at

 

Karten, Führer, Apps

Kompass

Wanderkarte Nr. 60 – Gailtaler Alpen und Karnische Alpen, inklusive App & Download des Kartenausschnitts. 11,99 €
Wanderführer Nr. 5633 – Karnischer Höhenweg. 14,99 €
www.kompass.de/shop/

 

Karten-App & mit Tourenvorschlägen

Tourenportal-App – durchdacht, vielfältige Funktionen, digitale Wanderkarte, enormer Fundus an Touren (89 Vorschläge zur Region Nassfeld). Basisversion gratis. Pro und Pro+ Versionen ab 24,99 € pro Jahr.
www.tourenportal.at

 

Infos & Fakten – komplett & umfassend – als PDF